BEV-Insolvenz: Hintergründe zum Discountersterben ​

Nach Teldafax und Flexstrom hat es nun den nächsten Energie-Discounter erwischt. Die Bayerische Energieversorgungsgesellschaft mbH (BEV Energie) hat am 29. Januar 2019 Insolvenz angemeldet. Bei über 500.000 Kunden bleiben viele Fragen offen. 

Was wird aus zugesagten Boni, was aus zu viel gezahlten Abschlägen? Seit Anfang Dezember 2018 ist die Anzahl an Fragen, Kommentaren und Kritiken in den Sozialen Medien explodiert. Die Aussichten für Kunden ihr Geld wieder zubekommen, stehen derzeit eher schlecht. Informieren können sich Geschädigte unter bev-inso.de oder in hierzu eingerichteten Facebook-Gruppen.

Doch was treibt die gleichen Kunden, die für ein Marken-Smartphone leicht  1.000€ und mehr bezahlen dazu, bei Strompreisen zum Tarifoptimierer zu werden? Ist es tatsächlich „Smart-Shopping“, wenn man bei der Wahl des Energieanbieters auf gerade erst gegründete Tiefpreisanbieter setzt? Und welche Möglichkeiten gibt es, Unternehmen, die in Schieflage geraten, frühzeitig zu erkennen? 

Vergleichsportale wie Check24 oder Verivox machen es den Stromkunden einfach zu wechseln. Die vermeintlich günstigsten Anbieter sind ganz oben auf der Liste zu finden und für einen Wechsel reichen ein paar Klicks. So kann man in Abständen von 1 bis 2 Jahren schnell ein paar hundert Euro sparen. 

Die Discounter ihrerseits bieten stets aufs Neue nicht kostendeckende Preise in der Hoffnung, Preisjäger zu loyalen Kunden machen zu können. Misslingt der Versuch wie bei BEV Energie, müssen die Strompreise drastisch erhöht werden, was oft das endgültige Aus einleitet. 

Teldafax, Flexstrom, BEV: Wen trifft es als nächstes?

Obwohl die Marktmechanismen bekannt sind, ist zu erwarten, dass sich dieses ruinöse Geschäftsmodell auch zukünftig wiederholt. Die Frage ist, wen es nach BEV Energie als nächstes treffen wird. Kann man Schieflagen bzw. Insolvenzen von Energieversorgern ohne Insiderwissen voraussehen? 

Als Social Media Forscher interessiert uns vor allem die Frage, ob man aus den Kommentaren und Kundenbewertungen in den Sozialen Medien ablesen kann, dass Kunden unzufrieden und abwanderungswillig sind bzw. ob man aus den Kritiken der Kunden Ereignisse wie spontane Änderungen der Konditionen ableiten kann. Die hier getroffene Annahme ist, dass eine starke Zunahme negativer Bewertungen auf eine Schieflage hinweisen kann.

Social Media Indikatoren für unzufriedene Kunden

Mit Hilfe des Social Media Research Tools „sentiment lab“ wurden 4.433 konkrete Kommentare zu 11 ausgewählten Energieversorgern (BEV Energie, 5 Discounter, 5 regionale Energieversorger) im Zeitraum von Januar 2018 bis Januar 2019 untersucht. Sie bilden die Basis für die nachfolgenden Analysen.  

Dass Energiediscounter häufig nicht genug tun, um die Kunden langfristig an sich zu binden, zeigt eine Analyse der Bewertungen der Servicequalität. So wird der Service von Discountern meistens nur einmal gut bewertet: Im Regelfall nur bei der Abwicklung des Wechselvorgangs gleich zu Beginn der Vertragslaufzeit. BEV Energie wurde hier mit 0,83 (Sentimentskala von -1 sehr schlecht bis +1 sehr gut) sogar besser bewertet als andere Discounter und regionale Energieversorger. 

Später notwendig werdende Serviceleistungen rund um die Kundenbetreuung und Support werden dagegen gerade bei Discountern schlechter beurteilt (Sentimentwert 0,28). Auffallend ist der negative Wert bei BEV Energie (Sentimentwert -0,04).  

Grundsätzlich wird die Servicequalität von nicht im Tiefpreissegment agierenden Stromanbietern mit +0,47 deutlich besser bewertet, was für eine langfristige Ausrichtung dieser Unternehmen in der Beziehung mit deren Kunden spricht. 

Social Media Reaktionen auf Erhöhungen der Strompreise

Eine weitere Analyse der Reaktionen auf Preiserhöhungen (wiederum gesondert für Tiefpreisanbieter, BEV und Regionalversorger) liefert gleich mehrere Erkenntnisse. 

Zum einen kommt es bei Discountern wesentlich häufiger zu Kritiken über Preiserhöhungen. So beklagen sich viele User über verdeckte Preiserhöhungen, überhöhte Preiserhöhungen und nicht gezahlte Boni. Das Niveau der Häufigkeit negativer Kommentare liegt kontinuierlich über dem von Regionalversorgern und zeigt zum Jahresende 2018 ein steigende Tendenz. 

Zum anderen hat sich die Insolvenz von BEV Energie knapp 3 Monate zuvor in den Reaktionen der Kunden angedeutet. Die Analyse der Daten zeigte bereits Ende 2018, dass das Thema Strompreis überproportional oft schlecht bewertet wurde. Basierend auf diesen Daten konnte man erahnen, dass es in absehbarer Zeit zu massiven Problemen kommen würde.

Das Discountersterben wird vermutlich weitergehen. Verhindern könnten Energieunternehmen dies über ein Umdenken hinsichtlich der Preisgestaltung und der Kundenbindung. Analysen der Kundenkommentare zeigen, dass „klassische“ Serviceleistungen wie schriftliche Rechnungen, Hotline und Beratung großen Einfluss auf die Zufriedenheit haben können. Kunden, die ausschließlich auf den Strompreis fixiert sind, werden vermutlich auch in Zukunft mit Discount Angeboten glücklich werden. Die Frage ist jedoch, wie viele Anbieter sich langfristig halten können.