Verbraucher tolerieren geschönten Normverbrauch der Autohersteller

Laut der unabhängigen Forschungsorganisation ICCT (International Council on Clean Transportation) ist der reale Verbrauch eines Autos im Jahr 2018 durchschnittlich 39% höher als der vom Hersteller angegebene gewesen. Doch wie stehen deutsche Autofahrer, die sich zu diesem Thema im Internet geäußert haben, zur Schönfärberei der Verbrauchswerte durch die Automobilhersteller? Und sind die Hersteller die alleinigen Schuldtragenden?

Was sagen die Autofahrer in den Sozialen Medien?

m-result erforscht seit vielen Jahren das Stimmungsbild von Autofahrern in den Sozialen Medien über automobile Sachverhalte. Heute – knapp anderthalb Jahre nach der Einführung des WLTP-Testzyklus, der zu realitätsnäheren Verbrauchsangaben der Hersteller führen sollte – ziehen wir ein Zwischenfazit, um die ersten Erfahrungen mit den Neuerungen zu analysieren. 

Basis für die Auswertungen sind 2.500 systematisch gesammelte Kommentare von Autofahrern in Blogs, Fachforen und Internetplattformen zum Thema “Verbrauch” in der Zeit von September 2017 bis Dezember 2018.
15% dieser Beiträge (n=368) enthielten relevante Aussagen und Bewertungen zum persönlichen Umgang mit geschönten Normverbräuchen. 

Überwiegend Verständnis seitens der Autofahrer

Das Ergebnis überrascht. Beinahe drei Viertel der User tolerieren das Verhalten der Automobilindustrie oder befürworten es sogar. 26,6 Prozent der User fühlen sich dagegen durch die wirklichkeitsfernen Normwerte von den Autoherstellern betrogen. 

In beiden Gruppen lassen sich dabei verschiedene Strömungen identifizieren.  

User, die das Verhalten der Autohersteller tolerieren / unterstützen

  • Autofahrer, die Herstellerangaben auch im Alltag erreichen
    “Die Herstellerangaben weichen kaum von der Realität ab. Mit dem entsprechenden Fahrprofil ist der Normverbrauch sogar problemlos zu unterbieten.“
  • Autofahrer, die sich über die geringere Kfz-Steuer freuen
    „Eigentlich stört es mich nicht, dass durch den „geringeren“ Verbrauch meine Kfz-Steuer sinkt.“
  • Politikgegner, welche die Industrie in Schutz nehmen und die Politik beschuldigen, falsch zu handeln
    „Wir alle, inklusive Politik haben gewusst, dass die Laborwerte nichts mit der Realität zu tun haben. Und diese Werte kommen nur zustande, weil man es den Herstellern gestattet, die Grauzonen zu nutzen – die Politiker sind das Problem!“

User, die das Verhalten der Autohersteller nicht tolerien

  • WLTP-Test-Gegner, welche sich Motorenoptimierungen für die Straße wünschen, statt für den Prüfstand
    „Wenn die Hersteller ihre Motoren endlich für den Straßenverkehr verbessern würden, hätten wir diese Diskussion gar nicht.“
  • “Betrogene” Kunden, die es nicht hinnehmen wollen, dass mit ihrem Vertrauen so gespielt wird
    „Was die Autoindustrie da macht, ist keine Schummelei, sondern dreister Betrug an den Verbrauchern und Kunden.“
  • Realisten, die von den Unternehmen fordern, bei größeren Autos auch zu höheren Verbräuchen zu stehen
    „Wenn die Autos immer größer und leistungsstärker werden, ist es kein Wunder, wenn sie mehr verbrauchen. Da muss man doch auch zu stehen als Unternehmen.“

Fazit

Der ganz große Hype um das Thema Normverbräuche klingt langsam in den Medien ab und es scheint, als hätte man sich in Deutschland an die “Gepflogenheiten” der Automobilindustrie gewöhnt. Ein echter Aufschrei aus der Internetgemeinde ist in keinem Fall zu erkennen. 

Ganz im Gegenteil. Obwohl Studien zweifelsfrei belegen, dass die Angaben der Autohersteller sehr wenig mit der Realität zu tun haben, geben die wenigsten User tatsächlich der Industrie die Schuld daran. Sie sehen die Konzerne eher als Mittäter und den Staat als Hauptschuldigen, da dieser die Testzyklen festlegt. 

Ein Wunsch zur Verbesserung der Umstände ist aus vielen Kommentaren jedoch klar ablesbar: Industrie und Politik sollen zusammen ein realitätsnahes Testverfahren entwickeln und gemeinsam Lösungen gegen den Klimawandel – auch in Hinblick auf den Dieselkandal – finden.